Unternehmen fehlt Ausbildungsreife

Die Entwicklungen auf dem bundesweiten Ausbildungsmarkt sind beunruhigend. Gerade einmal zwei Drittel der ausbildungsinteressierten jungen Menschen finden eine Ausbildungsstelle, während die Unternehmen vermehrt über unbesetzte Ausbildungsplätze klagen. Für Letzteres ist oft die mangelnde Ausbildungsreife der Unternehmen das Problem - Verstöße gegen Arbeitsschutzgesetze sind keine Seltenheit. Zu diesen Ergebnissen kommt der neunte Ausbildungsreport der DGB-Jugend, der jetzt veröffentlicht wurde.

"Besetzungsprobleme gibt es meist in den Berufen, die massive Probleme mit der Ausbildungsqualität haben, wie der Ausbildungsreport klar zeigt. Es ist doch kein Zufall, dass gerade jene Branchen auch über Fachkräftemangel klagen", erklärte dazu der AfA- und DGB-Kreisvorsitzende Dietmar Teubert in einer Stellungnahme in Verden.

Insgesamt ist ein großer Teil (71,4 Prozent) der Auszubildenden zwar mit der Ausbildungsqualität zufrieden. "Das ist auch erfreulich, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nach wie vor Probleme gibt und gegen Arbeitsschutzgesetze verstoßen wird", so Dietmar Teubert weiter. Mehr als jeder zehnte Auszubildende (11,7 Prozent) muss ausbildungsfremde Tätigkeiten ausüben, bei mehr als jedem Dritten (36,6 Prozent) fallen regelmäßig Überstunden an. Auch die Betreuung durch Ausbilder ist nicht immer sichergestellt. Besonders erschreckend ist, dass 13,2 Prozent der unter 18-jährigen Auszubildenden mehr als 40 Stunden in der Woche arbeiten müssen. Das ist ein klarer Verstoß gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz.

Dabei gibt es große Unterschiede zwischen den Berufen und Branchen, die sich mittlerweile verfestigt haben. Während die angehenden Industriemechaniker, Industriekaufleute und Bankkaufleute mit ihrer Ausbildung zufrieden sind, bilden einige Berufe des Handwerks, des Handels und vor allem der Gastronomie und der Hotellerie wieder das Schlusslicht der Befragung mit eklatanten Problemen und Gesetzesverstößen, erläutert Gewerkschafter und Sozialdemokrat Teubert.

Die bestehenden und bekannten Ausbildungsprobleme zeigen zunehmend ihre Auswirkungen: Fast jeder vierte Ausbildungsvertrag wurde vorzeitig aufgelöst. In Berufen, denen die Auszubildenden eine hohe Ausbildungsqualität bescheinigen, gibt es Vertragslösungsquoten deutlich unter Durchschnitt, etwa 6,1 Prozent bei den Bankkaufleuten oder 7,5 Prozent bei Industriekaufleuten. Dagegen liegen die Zahlen in Berufen mit massiven Problemmeldungen weit über dem Schnitt: Fast 50 Prozent aller angehenden Köchinnen und Köche haben ihre Ausbildung frühzeitig abgebrochen. Im Beruf der Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk waren es mehr als 41 Prozent.

"Statt über unbesetzte Stellen und einen Fachkräftemangel zu klagen, sollten diese Betriebe lieber qualifiziert ausbilden und den Ausbildungsrahmenplan sowie die Arbeitszeiten einhalten. Wer Fachkräfte für die Zukunft sichern will, muss bei der Ausbildungsqualität ansetzen", folgert der Vorsitzende der SPD-Arbeitnehmerschaft im Landkreis Verden. "Dazu gehört auch die unbefristete Übernahme der Auszubildenden nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einen Vollzeitjob – Jugendliche brauchen die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben mit vielfältigen Perspektiven und materieller Sicherheit."

"Es bleibt unbegreiflich, dass Branchen, wie dem Hotel- und Gaststättengewerbe, dem Handel und Teilen des Handwerks Jahr für Jahr die Auszubildenden davon laufen und trotzdem nichts passiert. Die Missstände in den Betrieben müssen schneller erkannt und beseitigt werden. Auf Beschwerden von Auszubildenden muss reagiert werden und es bedarf eigenständiger Kontrollen. Um einer Überwachungsfunktion überhaupt nachkommen zu können, muss die Zahl der Ausbildungsberater dringend erhöht werden. Wo gravierende Mängel und Verstöße festgestellt werden, darf auch vor Sanktionen nicht zurückgeschreckt werden", so SPD-Experte  Teubert.

Ein zentrales Problem ist weiterhin der Zugang zur Ausbildung. Noch immer stecken 260.000 Jugendliche in Warteschleifen zwischen Schule und Ausbildung fest. Gerade einmal 65 Prozent der Ausbildungsinteressierten haben einen Ausbildungsplatz bekommen.

Wie Teubert berichtet, waren an der repräsentativen Befragung der Gewerkschaftsjugend  18.357 Auszubildende aus den 25 laut Bundesinstitut für Berufsbildung häufigsten Ausbildungsberufen beteiligt.  Es wurden Auszubildende aus betrieblicher und dualer Ausbildung befragt, aus allen Ausbildungsjahren und aus Betrieben unterschiedlichster Größe. Der Ausbildungsreport wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz (ism) erstellt.