
"Herzlichen Glückwunsch, Herr Bode! Da hat sich der Niedersächsische Verkehrsminister aber ein tolles Geschenk zu Wahlkampfzeiten ausgedacht. Vier Monate vor der Landtagswahl verkündet er ein Ende aller Tempolimits auf der frisch dreispurig ausgebauten Autobahn A1 zwischen Hamburg und Bremen. Der FDP-Politiker denkt wahrscheinlich, dass seine vom Selbstverständnis der Partei her besserverdienende Wählerschaft in ihren PS-strotzenden Autos gerne schnell unterwegs ist und es ihm und den Seinen am Wahltag mit einem Kreuz auf dem Wahlzettel danken wird.
Allerdings kommen vorher mit tödlicher Sicherheit weitere Kreuze hinzu – und zwar entlang der A1. „Freie Fahrt für freie Bürger“ hieß einst das Motto. Dass das gleichbedeutend damit ist, dass es vermehrt zu Verkehrsunfällen kommt, dürfte selbst Minister Bode klar sein. Und dass ein Unfall mit Tempo 200 und drüber zwangsläufig ganz anders endet, als einer mit 140 km/h, ist ebenfalls kein Geheimnis.
Was soll also dieser Irrsinn, frage ich mich? Von abgestimmter Planung kann zumindest keine Rede sein, denn sonst hätte der Landkreis mit Sicherheit vor einem halben Jahr nicht für 200.000 Euro eine feste Geschwindigkeits-Messanlage auf Oytener Gemeindegebiet an der A1 errichtet, die nun abgeschaltet werden muss.
Das Argument, dass für einen Ersatz der jahrzehntelang ausgezeichnet funktionierenden und wegen des Ausbaus abgebauten automatischen Verkehrsregelanlage kein Geld da ist, dürfte blanker Unsinn sein. Erstens läuft die Ausschreibung offenbar noch. Und zweitens hätte der Wiederaufbau zwingend Bestandteil des A1-Ausbau-Programms sein müssen. Wenn nicht, wurde an zuständiger Stelle eindeutig massiv gepennt.
Laut Zahlen aus der Kreisverwaltung Verden gab es auf der Richtungsfahrbahn Bremen zwischen Kilometer 95 und 100 (Oyten) zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 1.Oktober 2012 sage und schreibe 230 Verkehrsunfälle – mit zum Glück „nur“ neun Leichtverletzten. Und das war mit einem Tempolimit!! Was passiert erst, wenn nach Herzenslust gerast werden kann? Gar nicht auszudenken!
Sehr ketzerisch gefragt: Vielleicht ist die Freigabe des Tempos auf der A1 durch Minister Bode ja aber auch ein riesiges Konjunktur-Programm? Denn die Bestatter, Krankenhäuser, Kfz-Werkstätten, Schrottplätze, Abschlepp- und Kranwagen-Unternehmen entlang der neuen Raserstrecke Nummer eins in Deutschland dürften sich schon einmal die Hände reiben wegen des zu erwartenden „Geschäfts“.
Ernsthaft: Auf der Strecke bleiben in erster Linie die Anwohner, die den Lärm der Raser Tag und Nacht ertragen müssen. Ich weiß, wovon ich rede, denn mein Haus steht Luftlinie zirka 500 Meter von der A1 entfernt – und es ist wegen unzulänglicher Schallschutzmaßnahmen immer noch laut. Zudem, und das spricht der Konjunktur-Programm-Idee krass zuwider, müssen die Firmen entlang der A1 die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren oder die ehrenamtlichen Helfer des DRK bald sicher sehr viel öfter freistellen, um die „Reste der Raserei“ auf der Piste zu beseitigen. Von den beruflichen „Fehlzeiten“ verunfallter Personen ganz zu schweigen.
Es bleibt erstens nur zu hoffen, dass sich die von mir befürchteten Szenarien in Grenzen halten und es möglichst keine zusätzlichen Toten und Verletzten durch Raserei auf der A1 gibt. Zweitens hoffe ich, dass spätestens nach der Landtagswahl im Januar dieser verkehrspolitische Irrsinn rückgängig gemacht wird. Aber vielleicht kann ja schon vorher irgendwer bei klarem Verstand in der Landesregierung dem Gaspedal-Bode Einhalt gebieten?"